Aktuelle Themen
Der Rechtsruck in Deutschland: Wie die AfD den Diskurs prägt und andere Parteien reagieren
Deutschland erlebt seit einigen Jahren einen spürbaren Rechtsruck, der maßgeblich durch den Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD) befeuert wurde. Seit ihrer Gründung 2013 hat sich die Partei von einer eurokritischen Partei zu einer Bewegung entwickelt, die rechtspopulistische und teils rechtsextreme Narrative in die Mitte der Gesellschaft getragen hat. Ihr Einfluss bleibt dabei nicht auf die eigenen Reihen beschränkt: Auch etablierte Parteien wie die CDU, die Freien Wähler, das BSW und die FDP reagieren auf diese Verschiebungen und greifen Narrative auf, die ursprünglich von der AfD propagiert wurden.
Die AfD hat sich vor allem durch ihre Migrationspolitik als Sprachrohr für Ängste und Ressentiments etabliert. Bereits in den Jahren nach 2015, als die sogenannte Flüchtlingskrise die politische Debatten dominierte, führte die Partei Begriffe wie den „Bevölkerungsaustausch“ in den Diskurs ein. Dieser Verschwörungsmythos unterstellt, dass die deutsche Bevölkerung gezielt durch Migration „ersetzt“ werden soll – eine Behauptung, die nicht nur wissenschaftlich haltlos ist, sondern auch antisemitische Untertöne enthält. Alexander Gauland, einer der führenden Köpfe der Partei, erklärte 2017, die „Überfremdung Deutschlands“ sei politisch gewollt und Teil einer systematischen Strategie, die nationale Identität auszulöschen. Solche Aussagen verankern sich in der öffentlichen Debatte und schaffen eine ideologische Grundlage, auf der rechtsextreme Gedanken weiter normalisiert werden.
Etablierte Parteien sehen sich zunehmend unter Druck, ihre Wählerbasis zu halten, während die AfD in den letzten Jahren insbesondere in strukturschwachen Regionen kontinuierlich an Popularität gewann. Friedrich Merz, Vorsitzender und Kanzlerkandidat der CDU, betonte in mehreren Interviews die Notwendigkeit einer „klaren Obergrenze“ für Migration und griff damit eine Forderung auf, die über Jahre hinweg im Repertoire der AfD verankert war. Seine Wortwahl suggeriert, dass Migration vor allem eine Gefahr und Überforderung darstelle – eine Erzählung, die kaum von der populistischen Rhetorik der AfD zu unterscheiden ist.
Ähnlich verhält es sich bei den Freien Wählern: Hubert Aiwanger hat wiederholt vor den „grünen Extremisten“ gewarnt und politische Maßnahmen zum Klimaschutz als ideologisch überzogen dargestellt. Diese Rhetorik greift Begriffe auf, die ursprünglich von der AfD genutzt wurden, um den Klimaschutz als Bedrohung für persönliche Freiheiten darzustellen.
Auch die FDP zeigt eine bedenkliche Nähe zu rechtspopulistischen Narrativen, wie ein Auftritt des damaligen Finanzministers in einem Interview mit dem verschwörungsideologisch geprägten Medium Nius verdeutlicht. Über 50 Minuten lang zog er dabei über „Die Grünen“ als vermeintliches Feindbild her und beklagte, wie sehr es ihn belaste, in die „linke Ecke“ gestellt zu werden. Solche Aussagen befeuern nicht nur bestehende Polarisierungen, sondern bieten Plattformen mit zweifelhafter Reputation die Möglichkeit, ihre ideologischen Agenden weiter in den Mainstream zu tragen.
Die schleichende Normalisierung rechtspopulistischer Rhetorik durch etablierte Parteien birgt mehrere Gefahren. Zum einen verleiht sie der AfD Legitimation: Wenn CDU, Freie Wähler oder FDP ähnliche Begriffe verwenden, erscheinen diese nicht mehr als extrem, sondern als Teil einer vermeintlich rationalen Diskussion. Zum anderen verschiebt sich der gesamte politische Diskurs weiter nach rechts. Themen wie Migration, Gesellschaftlicher Wandel und Klimaschutz werden dann nicht mehr aus einer sachlichen Perspektive diskutiert, sondern primär als Ideologie der links-grün-versifft und woken Bubble inszeniert.
Eine sachliche Auseinandersetzung mit einer der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit, dem menschengemachten Klimawandel, wird durch die Verschiebung des politischen Diskurses zunehmend erschwert. Statt fundierter Debatten dominieren emotional aufgeladene Themen wie der angebliche „Genderzwang“, die Diffamierung der Grünen als „Verbotspartei“ oder polemische Empörung über Migranten beim Zahnarzt. Solche Mechanismen dienen weniger der Problemlösung als der Emotionalisierung und Mobilisierung von Wähler:innen. Populistische Rhetorik mag kurzfristig Schlagzeilen liefern, doch lenkt sie von den realen Aufgaben und der Notwendigkeit ernsthafter politischer Lösungen ab.
Diese Entwicklungen gefährden nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch die demokratische Kultur in Deutschland. Anstatt eigene, faktenbasierte Lösungen für komplexe Probleme anzubieten, lassen sich etablierte Parteien von der AfD den Takt vorgeben. Dabei wäre gerade jetzt eine klare Abgrenzung notwendig, um zu verhindern, dass rechtsextreme Narrative zur politischen Norm werden.
Der Rechtsruck in Deutschland zeigt, wie wichtig es ist, die Grenzen des Sagbaren zu schützen und eine plurale, demokratische Diskussionskultur zu bewahren – eine Aufgabe, die Politik, Medien und Zivilgesellschaft gemeinsam angehen müssen.